Stellen Sie sich folgendes Szenario vor: Eine Küche, die unter anderem für die Verpflegung eines Schulcampus zuständig ist. Seit einiger Zeit wird der Trend bei Jugendlichen beobachtet, das „klassische Mittagessen“ durch einen „Snack to go“ zu ersetzen. Die Unternehmensleitung stellt die Küchenleitung vor die Aufgabe, ein Konzept zur Umsetzung eines gesundheitsbewussten und zielgruppengerechten Snackangebots zu erarbeiten.
Was hat dies mit Mitarbeitertypen & -führung zu tun?
Um die leitenden Mitarbeiter in die geplanten Veränderungen der Angebotspalette einzubeziehen, wurde ein Teammeeting einberufen. Nachdem die Aufgabenstellung präsentiert wurde, sieht man den „initiativ-kreativen“ Mitarbeiter strahlen, während der Kollege, ein „gewissenhafter Zahlenmensch“, bereits überlegt, welche Umsatzeinbuße diese Veränderung wohl je Produktsparte pro Gast/Tag für das kommende Quartal bewirken wird.
Der „extrovertiert – kommunikative“ Kollege plant bereits einen Workshop mit Brainstorming und Meinungsaustausch aller Mitarbeiter und der „reserviert-introvertierte“ Mitarbeiter hat gedanklich erste Lösungen parat. So sind Unstimmigkeiten oder gar Konflikte innerhalb des Teams vorprogrammiert und im schlechtesten Fall – nämlich wenn die Führungskraft diese verschiedenen Mitarbeitertypen nicht gleichermaßen mit Respekt und Wertschätzung führen kann – bringt sich am Ende keiner der Mitarbeiter mehr in den Veränderungsprozess ein.
Die Küchenleitung braucht jetzt entsprechendes Know-How, um mit diesen Herausforderungen adäquat umzugehen. Denn hier sind die unterschiedlichsten Kompetenzen gefragt: Geschickte Gesprächsführung ist ebenso wichtig wie eine nachhaltige Mitarbeitermotivation. Wie führe ich dieses „bunte Team“ erfolgreich und wie begleite ich diesen Veränderungsprozess angemessen? Schon dieses kleine Beispiel zeigt, wie viele unterschiedliche Aspekte berücksichtigt werden müssen.
Wer tickt wie?
Die meisten Menschen verstehen sich mit den Kollegen am besten, die so „ticken“ wie sie. Hinter diesem „ticken“ verbergen sich gleiche Werte & Ziele und oftmals ein identischer Arbeitsstil. In der Organisationsforschung wird diese Gleichheit eher kritisch gesehen: Eine wirklich gute Teamleistung lässt sich nur erzielen, wenn sich in Teams möglichst viele unterschiedliche Charaktere finden. Nur dann kann jeder seine Stärken einbringen und damit die Schwächen der Kollegen kompensieren. Die Folge: Ein bunter Strauß an Mitarbeitertypen und damit eine Herausforderung für jede Führungskraft.
Vorgesetzte bei der alltäglichen Herausforderung „Führung“ zu unterstützen, ist Ansinnen vieler Persönlichkeitstests, die in den letzten Jahrzehnten auf den Markt gebracht wurden. Ein Ansatz dabei ist das sog. DISG-Modell.
Geistiger Vater dieses Modells ist der amerikanische Psychologe William Marston. Er kam in den 1920er Jahren zu dem Schluss, dass das menschliche Verhalten größtenteils dadurch beeinflusst wird, ob sich eine Person in ihrer Umgebung wohl und angenommen fühlt und ob sie ihr Umfeld als stark oder weniger stark sieht.
Jeder ist anders – aber manche sind sich ähnlich
Die Buchstaben DISG stehen für „dominant“, initiativ“, „stetig“ und „gewissenhaft“. Dies sind die Oberbegriffe für vier Persönlichkeitstypen, die in Rein- und auch Mischformen in jedem Unternehmen zu finden sind und sich durch jeweils ähnliche Verhaltensweisen auszeichnen.

Quelle: www.edutrainment-company.de
D wie dominant: Direkt und bestimmt
Menschen mit dominantem Verhaltensstil versuchen Dinge zu ändern oder zu steuern, Probleme zu lösen und schnelle Ergebnisse zu erzielen. Sie mögen direkte Antworten ebenso wie vielfältige Tätigkeiten und ihre Unabhängigkeit. Sie sind eigeninitiativ und haben Freude am Wettbewerb. Entscheidungen werden schnell und unbürokratisch getroffen. Im Allgemeinen sind sie direkt und geradeheraus – hierbei werden sie manchmal auch verletzend. Es macht ihnen nichts aus, im Mittelpunkt zu stehen. Sie verlangen viel von sich und anderen und besitzen das entsprechende Durchsetzungsvermögen, um ihre Ziele durchzusetzen.
Als Führungskraft schaffen Sie mit diesen Bedingungen ein ideales Arbeitsumfeld für den dominanten Mitarbeitertyp:
- eine einflussreiche Position (Stellvertretung, Assistenz)
- Vergabe von immer neuen, abwechslungsreichen Aufgaben
- viel Entscheidungsfreiraum bei der Arbeit (Delegation von komplexeren Aufgaben)
- kurze Kommunikationswege
- wenig Kontrolle und Beaufsichtigung (Führen mit Zielvereinbarungen und ergebnisorientiertes Führen)
- Gelegenheit zu persönlichen Erfolgen (Vergabe von „Leuchturmprojekten“).
I wie initiativ: Optimistisch und aufgeschlossen
Menschen mit einem ausgeprägten initiativen Verhaltensstil knüpfen gerne Kontakte und möchten andere von ihren Ansichten überzeugen. Sie sind offen und generell optimistisch. Gefühle und Gedanken könne sie gut in Worte fassen. Sie fühlen sich in Gruppen wohl und versuchen, andere zu gemeinsamen Zielen zu motivieren. Sie werden dann effizient, wenn sie nicht zu Kontrolle oder Detailarbeit verpflichtet werden. Sie handeln tendenziell spontan und sind nur so weit wie unbedingt vonnöten diszipliniert. Häufig sind sie voller Tatendrang und Energie, was aber nicht immer zielführend ist, da sie sich auch schon mal verzetteln.
Einen initiativen Mitarbeiter führen Sie am besten durch:
- das Schaffen einer freundlichen, angenehmen Atmosphäre
- Befreiung von Detailarbeit und Kontrolle (Unterstützung bei Selbstorganisation und Aufgabenplanung)
- Gelegenheit, Vorschläge zu machen (z.B. im Rahmen eines internen Vorschlagswesens)
- Anerkennung der Fähigkeiten (evtl. sogar „öffentlich“, z.B. als Mitarbeiter des Monats)
- Teamaktivitäten in der Freizeit.
S wie stetig: Einfühlsam und kooperativ
Menschen mit stetigem Verhaltensstil halten nicht viel von großen Veränderungen. Sie bemühen sich um eine berechenbare, gut organisierte Umgebung. Sie sind geduldige Zuhörer. Sie fühlen sich am wohlsten, wenn um sie herum eine positive Atmosphäre herrscht, die Stabilität verspricht. Sie fühlen sich als Mitglied eines Teams wohl, nicht als Teamleitung.
Personen mit hohem „S“-Anteil sind keine guten Selbstdarsteller und umgehen dies, so gut sie können. Generell verfügen sie nicht über so viel Energie wie Menschen mit dominantem oder initiativem Verhaltensstil. Starker Zuspruch und Anerkennung für Geleistetes ist aber trotzdem wichtig für sie.
Für einen Mitarbeiter mit stetigem Verhaltensstil schaffen Sie mit diesen Maßnahmen ein positives Arbeitsumfeld:
- echte, ernsthafte Wertschätzung (Motivation und Feedback ohne „große Bühne“, dafür häufiger)
- möglichst keine Konfliktsituationen und Erläuterung von notwendigen Veränderungsmaßnahmen (Vorwegnahme von Konfliktpotential in Gesprächen)
- festes, abgegrenztes Aufgabengebiet (kleine Projekte oder abgeschlossene Aufgaben)
- geregelte, geordnete Vorgehensweisen (z. B. unterstützt durch Checklisten und Aufgabenpläne).
G wie gewissenhaft: Bedacht und korrekt
Menschen, bei denen der gewissenhafte Verhaltensstil besonders ausgeprägt ist, bevorzugen Ordnung, Disziplin und eine sachliche Atmosphäre. Der „Gewissenhafte“ orientiert sich an seinen Aufgaben und ist dabei eher introvertiert. Er ist gern präzise, reflektiert mehr als andere und bevorzugt geregelte Bedingungen. Dabei ist er reserviert und konzentriert sich auf Details. Mit Menschen geht er diplomatisch um. Im Team braucht der Gewissenhafte Kollegen, die Optimismus ausstrahlen, unpopuläre Standpunkte auch mal offen ansprechen und die sowohl kompromissfähig als auch flexibel sind.
Als Führungskraft sollten Sie für den gewissenhaften Mitarbeitertypus ein Umfeld schaffen, das
- bewährte Methoden und Verfahren beibehält
- sorgfältiges Planen ermöglicht (genaue Aufgabenbeschreibungen)
- Zeit schafft, Aufgaben zu erledigen und Leistungsziele zu definieren (Zielvereinbarungen mit Zeitvorgaben erstellen)
- klares Feedback für Leistungen und sachliche Kritik ermöglicht (regelmäßige Beurteilungsbespräche)
- mehr Toleranz in Konfliktsituationen und Sicherheit gewährt.
Bereits hier wird deutlich, dass die Unterschiede zwischen den vier Mitarbeitertypen groß sind, jedoch: Ein „gut“ und „schlecht“ gibt es nicht. Jeder der vier Typen übernimmt in einem Team aufgrund seiner Stärken wichtige Funktionen zur Erreichung der Abteilungsziele.
Alle motivieren und Konflikte schneller lösen
Brandneu ist das DISG-Konzept nicht. Die jahrhundertalte, griechische Temperamentlehre unterschied bereits zwischen ähnlichen Persönlichkeitstypen, wenn auch anders benannt. Was bleibt ist die Quintessenz: Führungskräfte, die wissen, wie ihre Mitarbeiter denken und fühlen, sind eher in der Lage, diese direkt zu „packen“. Das heißt: Motivation fördern, für neue Projekte begeistern, Aufgaben und Verantwortlichkeiten verteilen und auch Lösungen bei Konflikten einleiten.
Selbstverständlich gibt es auch kritische Stimmen: Weder wird die gesamte Persönlichkeit einem Test unterzogen noch lassen sich die Aussagen verallgemeinern. Auch erfasst es nur die Oberfläche eines Mitarbeiters, nicht dessen Motive. Jedoch liefert das Modell Hinweise über Ängste und Wünsche, Verhaltens- und Kommunikationsstile der Mitarbeiter – und die Führungskraft erhält eine Menge Anregungen, wie sie auf die unterschiedlichen Typen aus dem Team zugehen und alle gemeinsam zum Erfolg „führen“ kann.