„Wenn Du liebst, was Du tust, wirst Du nie wieder arbeiten.“ (Konfuzius)
In einem meiner letzten Seminare für die DHA (Deutsche Hotelakademie in Köln) für angehende Verpflegungsbetriebswirte lernte ich einen Küchenchef kennen. Er arbeitet im Restaurant eines Industrieunternehmens in dem 1.200 Mitarbeiter im Rahmen eines 3-Schichtsystems an fünf Tagen in der Woche beköstigt werden (24/5). Der Küchenchef steht während der Woche um 3.30 Uhr auf, um eine 50km Distanz zum Arbeitsplatz zu fahren – sein Arbeitstag endet in der Regel um 16.00 Uhr; dann macht er sich auf den Heimweg zu seiner Frau und vier Kindern. Seine Karriere in der internationalen Sternegastronomie hat er laut seiner Aussage „zugunsten der Vereinbarkeit von Beruf & Familie“ aufgegeben.
Nachdem der Teilnehmer seinen Berufsalltag geschildert hatte – es waren ausschließlich Teilnehmer aus der Branche im Seminar – ging ein „Raunen“ durch die Reihen: So sollte eine optimale Work-Life-Balance aussehen…?
Aktuelle Entwicklungen
Seien wir ehrlich: Vielen Branchen geht es wie der Gemeinschaftsverpflegung. Technische Neuerungen, Rationalisierungen bis an die Grenzen der Machbarkeit inkl. Freistellung von Mitarbeitern sowie Bemühungen um eine stetig verbesserte Gästeorientierung und der Trend zum Rund-um-die-Uhr-Service erschweren sowohl die strategische Planung als auch den Alltag. Hinzu kommt der Mangel an Fachkräften sowie zuverlässigen, angelernten Kräften.
Auf Führungskräfte- und Mitarbeiterebene verzeichnen wir immer mehr Ehepaare, die beide berufstätig sind, Alleinerziehende oder Personen, die eine Pflegeverantwortung z.B. für die eigenen Eltern haben. Die Zufriedenheit und Motivation der Mitarbeiter in Deutschland sinkt laut Studien seit den 80er Jahren stetig und ist auch im internationalen Vergleich tendenziell niedrig (1), eine Studie des Unternehmens Gallup besagt sogar, dass jeder sechste Arbeitnehmer bereits innerlich gekündigt hat (2).
Eine neue Generation
Zusätzlich dazu drängt eine neue Generation auf den Arbeitsmarkt, die sich von den vorherigen Generationen in ihrer Lebens- & Arbeitsweise sowie ihren Bedürfnissen grundlegend unterscheidet: die sog. Generation Y. Mitglieder dieser Generation sind nach 1980 geboren und mit ihren Smartphones und Tablets quasi verwachsen. Sie werden als sehr flexibel beschrieben und schätzen gemeinschaftliches Arbeiten und flache Hierarchien. Das Lebensmodell dieser Generation ist geprägt durch den Faktor Arbeit – aber vor allem auch durch Spaß, Freunde und Familie sowie Freizeit. Da wir in dieser Generation die Mitarbeiter von heute und morgen finden, gewinnt das Thema Work-Life-Balance zusätzlich an Bedeutung.
Was versteht man eigentlich unter Work-Life-Balance?
Unter Work-Life-Balance ist ein umfassendes Konzept zu verstehen, dass alle Maßnahmen, die zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben und zur gesundheitlichen Stabilisierung der Mitarbeiter eines Unternehmens führen, zusammenfasst.
Die Erfahrung zeigt: Führungskräfte arbeiten mehr als 50 Stunden in der Woche und meist zusätzlich am Wochenende. Schnell führt dies zu einem Mangel an körperlicher Bewegung und gesunder Ernährung, was oft negative gesundheitliche Folgen hat. Wer in dieser Situation versucht, Beruf und Familie miteinander zu vereinbaren, kann dadurch schnell einen Erschöpfungszustand erreichen – bis hin zum Burnout-Syndrom. Work-Life-Balance-Konzepte sollen vorsorgend ansetzen, indem sie solchen Problemen vorbeugen.
Betriebe und Führungskräfte könnten daher folgende Maßnahmen für eine ausgewogene Balance zwischen „Arbeiten & Leben“ durchführen:
- Flexible Arbeitszeiten, aber auch flexible Arbeitsorte (Stichworte: Home-Office/Telearbeit)
- Flexible Arbeitszeitgestaltung (Jahresarbeitszeitkonten oder längerfristige Arbeitszeitkonten, Gleitzeit etc.)
- Sabbaticals (Sabbatjahr oder längerfristiger Sonderurlaub)
- Unterstützung bei der Kinderbetreuung, entweder durch eigene Einrichtungen oder „Belegplätze“ in externen Einrichtungen
- Geldwerte Leistungen bzw. Zuschüsse für Eltern
- Organisation einer Kinder-Ferienbetreuung, u.U. mit weiteren Unternehmen vor Ort
- Familienfreundliche Personalplanung
- Unterstützende Maßnahmen bei der Pflege von Angehörigen (sog. Eldercare)
- Maßnahmen zur Wiedereingliederung von Berufsrückkehrern (nach Elternzeit, nach Sabbatical etc.)
- Aktives Gesundheitsmanagement, z.B. durch entsprechende Regelungen zum Arbeitsschutz, Kooperationen mit Krankenkassen, ausgewogene Ernährung im Mitarbeiter-Restaurant
- Betrieblich geförderte Sportangebote (Betriebssportgruppen oder in externen Fitness-Studios)
- Ruhe- & Rückzugsmöglichkeiten im Betrieb
Es gibt aber auch Stimmen, die provokant vom „Work-Life-Bullshit“ sprechen (3). Wie z.B. der Autor Thomas Vašek, der anprangert, das die Work-Life-Balance Diskussion meist unsauber geführt wird, da eine tatsächliche Trennung von „guter“ (=Leben) und „schlechter“ (=Arbeit) Zeit irreführend ist. Dieser Autor rät zu mehr Eigenverantwortung und verteidigt die Arbeitswelt. Ferner empfiehlt er seinen Lesern – anstatt sich einen weiteren Ratgeber zur Reduzierung von Stress zu kaufen – sich einen Job zu suchen, der für sie über den „reinen Broterwerb“ hinausgeht.
Und damit wären wir wieder bei Konfuzius und meinem Seminarteilnehmer, der seinen Job, seine Mitarbeiter und die täglichen Herausforderungen über alles liebt.
Quellen:
- Mitarbeiterzufriedenheit
- Innere Kündigung
https://www.gallup.de/183104/engagement-index-deutschland.aspx
- Thomas Vasek „Work-Life-Bullshit – Warum die Trennung von Arbeit und Leben in die Irre führt“, Riemann 2015, 288 Seiten, 16,99 EUR